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Allgemein Vogelwelt

Wo die Liebe hinfällt –
Die Brutstrategie der Beutelmeisen

Wo die Liebe hinfällt – Die Brutstrategie der Beutelmeisen

 

Die Brutstrategie der Beutelmeisen ist ein Geniestreich der Natur. Kein Wunder also, dass ihre Population so stabil ist wie nie zuvor.

Beutelmeisen für Europa

Wusstet ihr, dass Beutelmeisen noch in den 1950er Jahren nur in Osteuropa vorkamen? Erst zu diesem Zeitpunkt begann ihre gewaltige Expansion, die sie bis nach Norwegen, in die Niederlande und nach Frankreich führte. In Deutschland orientierten sie sich vor allem an den Flüssen und Seen. Deshalb liegen die häufigsten Brutgebiete heute in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen.

Doch wie kam es zu dieser blitzartigen Ausbreitung in Europa? Ein Grund war die größtenteils milde Wetterlage. Im Sommer wurden die Eier schön gewärmt, im Winter musste kaum ein Vogel den Kältetod sterben. Es gab immer mehr Nahrung in Form von Insekten und mit neuen Teichbiotopen in Kies- und Braunkohlegruben entstanden neue Lebensräume. So konnte die besondere Brutstrategie der Beutelmeisen ihre ganze Kraft entwickeln und die Population wuchs gewaltig an.

Ein Nest in Taschenform

Die Bauweise der Beutelmeisen ist einzigartig unter den Singvögeln. Schwanzmeisen haben zwar eine ähnliche Methode, bauen aber längst nicht so sorgfältig und kunstvoll. Das Männchen sucht sich am Ufer eines Gewässers den passenden Baum aus (beliebte Arten sind Birke, Weide, Erle und Pappel). Dieser muss herabhängende, möglichst gegabelte Zweige aufweisen. In so einer Astgabel verbindet das Männchen die beiden Zweigenden mit einem Faden aus Pflanzenfasern. So entsteht nach und nach eine Art Schaukel oder Hängematte. Das fleißige Männchen muss nun Boden und Seiten der Konstruktion so lange verstärken und ausbessern, bis ein „Henkelkorb“ entsteht.

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Es ist wichtig, dass er oben offen bleibt, denn nun kommt das Weibchen ins Spiel. Durch Singen und Rufen macht das Männchen auf seinen Beutel aufmerksam, damit ein Weibchen zur Begutachtung dazu kommt. Die weiblichen Beutelmeisen achten vor allem darauf, dass Boden und Wände der Nester möglichst dick sind. So werden die Eier besser vor Kälte geschützt. Neben Pflanzenfasern dient vor allem Samenwolle als Nistmaterial. Das gibt dem Nest am Ende sein weiches, fluffiges Aussehen.

Gefällt der Rohbau einem Weibchen, verpaart es sich mit dem Männchen und übernimmt den Nestbau. Am Ende ist das Nest eine stabile, geschlossene Tasche. Den einzigen Eingang bildet ein kleiner Tunnel an der Seite.

Beutelmeisennest

Die Brutstrategie der Beutelmeisen

Wenn das Nest gebaut ist und die Eier gelegt sind, beginnt ein weiteres Kuriosum. Weil das Nest so gut isoliert ist und kaum Wärme nach außen abgibt, muss nicht ständig ein Altvogel zum Brüten da sein. Vielmehr ist es sogar möglich, dass nur ein Elternteil die gesamte Brut übernimmt, während der andere das Nest verlässt und sich erneut paart. So eine Trennung ist bei den Beutelmeisen nicht mit Drama verbunden, sondern ein wichtiger Teil ihrer Fortpflanzung. Grundsätzlich kann jeder Partner die Trennung einleiten, meist tut es aber das Männchen. Das liegt daran, dass für ein Männchen immer das Risiko besteht, sich mit einem bereits befruchteten Weibchen zu verpaaren, das dann die Eier eines anderen Männchens legt. Verpaart sich ein Männchen aber mehrmals, ist die Chance größer, dass es seine Gene weitervererben kann.

Häufig vertreibt das Weibchen seinen Partner sogar aktiv vom Nest. Bei in Gefangenschaft lebenden Beutelmeisen kam es gar zum „Gattenmord“, weil das Männchen sich nicht weit genug vom Nest entfernen konnte. Auch die Weibchen profitieren also von mehreren Partnern, denn so können sie die genetische Vielfalt in ihrem Nachwuchs steigern. Da es bei den Beutelmeisen einen Männchenüberschuss (und somit auch mehr als genug Nester) gibt, können sich sowohl Weibchen als auch Männchen an mehreren Bruten beteiligen.

Ein Problem gibt es aber bei der so genannten sozialen Polygamie. Wenn sowohl Männchen als auch Weibchen das Gelege verlassen wollen, um sich neu zu verpaaren, wird die Brut aufgegeben. In diesem Fall haben sich zwei Vögel verpaart, die beide die Strategie der frühzeitigen Trennung verfolgen und sich auch nicht davon abbringen lassen. So ein Konflikt tritt aber zum Glück nicht sehr häufig auf.

 

Titelbild: Alastair Rae (Lizenz CC BY-SA 2.0)

Foto Nest: tomasz przechlewski (Lizenz CC BY 2.0)

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