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Kuriose Vogelwelt #2: Tauben als Kunstkenner

Kuriose Vogelwelt #2: Tauben als Kunstkenner

Könnt ihr Van Gogh und Chagall auseinanderhalten? Kaum zu glauben, aber Tauben unterscheiden schnell zwischen den beiden Malern. Im zweiten Teil der Serie „Kuriose Vogelwelt“ berichten wir vom unerwarteten Kunstverständnis dieser Vögel.

Körner und Kunst

Was tut man nicht alles für ein bisschen Körnermischung? Für Tauben ist dieser Köder so verlockend, dass sie dafür sogar zu Kunstkennern werden. In einem Experiment japanischer Hirnforscher lernten die Vögel, Gemälde verschiedener Künstler zielsicher zu unterscheiden. Das beweist wieder einmal, dass Tauben besser sind als ihr Ruf.

Stilsicher gegen Belohnung: Die Studie

Wenige Menschen können von sich behaupten, Tauben zu mögen. Der Hirnforscher Ken Watanabe hingegen ist von den Vögeln begeistert: Der Japaner besitzt an die 200 Tauben und forscht seit mehr als zwanzig Jahren an ihnen. In einer Studie der Keio Universität in Tokio hat Watanabe Tauben beigebracht, gegen Belohnung Werke unterschiedlicher Künstler zu erkennen. An einem berührungsempfindlichen Monitor zeigte der Forscher den Vögeln Bilder der Maler Vincent Van Gogh und Marc Chagall. Durch Anpicken sollten die Tauben anzeigen, ob das Bild von „ihrem“ Künstler gemalt wurde. Bei richtiger Antwort gab es eine Belohnung. Schon nach neun Übungen waren viele Tauben zielsicher, mit einer Trefferquote von über 90 Prozent.

Parallel mussten menschliche Versuchsteilnehmer dieselbe Aufgabe erledigen. Das Erstaunliche: Bessere Kunstkenner sind wir Menschen nicht. Bei dem Experiment mit Chagall und Van Gogh erzielten Menschen und Tauben exakt die gleichen Ergebnisse. Erst als die Forscher die Farben und Ausschnitte der Bilder veränderten, erreichten die menschlichen Tester einen leichten Vorsprung. Erstaunlich ist das Ergebnis der Tauben auch, wenn man bedenkt, wie schwer die Aufgabe war. Klar, mit ein bisschen Übung können wohl die meisten Menschen einen Van Gogh von einem Chagall unterscheiden, aber das ist lange nicht so einfach wie etwa bei einem Yves Klein und einem Da Vinci.

Erklärung für die Kunst der Tauben

Die Experimente von Shigeru Watanabe zeigen es deutlich: Tauben und Menschen nehmen Bilder ähnlich wahr. Bewiesen wurde das auch von einer anderen Studie Watanabes, in der er Tauben zwischen „guten“ und „schlechten“ Bildern japanischer Grundschüler unterscheiden ließ. Ähnlich wie menschliche Kritiker wählten die Tauben hier nach Kriterien wie Klarheit der Bildaufteilung und Verteilung der Farben.

Doch warum sehen Menschen und Tauben auf ähnliche Weise? Laut Shigeru Watanabe mussten beide im Laufe ihrer Evolution dieselben Probleme bewältigen. Taubenhirn und Primatenhirn, Taubenauge und Primatenauge, sind zwar unterschiedlich, haben aber die gleiche Fähigkeit entwickelt. Eine ausgeprägte Bildwahrnehmung und Fähigkeit zur Verallgemeinerung und Kategorisierung von Bildern brauchten Menschen und Tauben bei der Nahrungssuche am Tag. Stellt euch zum Beispiel mal vor, wie schwer es ist, verschiedene Beeren zu unterscheiden, wenn man sich ihr genaues Aussehen nicht merken kann. Fehler können jedoch zu schweren Vergiftungen führen. Daher muss das Auge lernen, genau zwischen ähnlichen Farben und Formen zu unterscheiden, so wie es eben auch in der Malerei gefordert wird.

In der Praxis könnten Watanabes Foerschungsergebnisse dazu dienen, Menschen mit Gedächtnis-Problemen zu helfen. Durch Studien wie diese verstehen wir immer besser, wie Bildwahrnehmung und das visuelle Gedächtnis funktionieren. Und auch, was passiert, wenn sie es nicht tun.

Den gesamten Artikel zu Shigeru Watanabes Studie könnt ihr im Magazin „Animal Cognition“ erwerben.

Schon gewusst? Tauben sind nicht nur Kunstkenner, sie sind auch Postboten. Mehr in unserem Beitrag zu Brieftauben.

foto von Éva Zara auf Pixabay

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