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Vogelwelt

Sanderlinge – Zwischen Arktis und Sandstrand

Sanderlinge – Zwischen Arktis und Sandstrand

Ende Juli ist der Sommer noch lange nicht zu Ende, weder an der Nordseeküste noch in der Bretagne. Trotzdem kann man jetzt schon gefiederte Gäste an den europäischen Küsten antreffen: die Sanderlinge.

Auf Fotos ist es oft nicht gut zu erkennen, aber Sanderlinge werden tatsächlich nur knapp 20 Zentimeter groß. Solche kleinen Watvögel fallen am Strand nicht auf den ersten Blick ins Auge. Nur wer sich dem Spülsaum des Meeres nähert, erspäht kleine Gruppen dieser geschäftig umherlaufenden Vögel. Manchmal verraten auch nur Pickspuren und die Abdrücke ihrer drei Zehen, dass die Sanderlinge da waren. Bereits im Juli kann man sie an den europäischen Küsten treffen. Sie kommen dann direkt aus ihren Brutgebieten in der arktischen Tundra, wo der Sommer bereits zu Ende geht. Deshalb weichen die Vögel unter anderem auf die Strände des Wattenmeeres aus.

Sanderlinge: Vögel zwischen den Welten

In gewisser Weise leben Sanderlinge ein Doppelleben, denn ihre arktischen Brutgebiete stellen sie vor ganz andere Herausforderungen als die Strände. In der Tundra können sich die Vögel in der niedrigen Vegetation verstecken, während an der Küste nur kahle Sandflächen warten. Deshalb ist das Prachtkleid rotbraun gemustert, während das Schlichtkleid den Sanderling in einen grau-weißen Vogel verwandelt. Beide Kleider dienen also der Tarnung, je nachdem, wo sich der Vogel gerade aufhält.

Wenn die Sanderlinge an den Stränden ankommen, tragen sie noch das kontrastreiche Prachtkleid. Bald darauf setzt aber schon die Mauser ein, so dass man in dieser Zeit „halb und halb“ gefiederte Vögel beobachten kann. Die alten Federn werden von der Flut weggespült oder bleiben im obersten Spülsaum am Strand zurück.

Es gibt noch mehr, was die beiden Lebensräume der kleinen Watvögel unterscheidet. Im Norden fressen sie vor allem salzarme Nahrung wie Insekten und deren Larven. Außerdem haben sie dort 24 Stunden Tageslicht zur Verfügung und die Temperaturen klettern selten über 10 Grad Celsius. Ganz anders sieht es an den Küsten aus: Hier stehen kleine Schalentiere, Würmer und manchmal auch Fische auf dem Speiseplan. Die Vögel werden von der Nacht unterbrochen, müssen mit den Gezeiten und der sommerlichen Hitze zurechtkommen. Dass sich die Sanderlinge in beiden Lebensräumen behaupten können, zeigt ihre beeindruckende Anpassungsfähigkeit.

Gruppentherapie am Strand

Noch ein Unterschied: Während die Vögel in der Arktis vor allem paarweise und in Familienverbänden leben, schließen sie sich im Süden zu größeren Trupps zusammen. Das heißt, sie leben dann unter ganz anderen sozialen Bedingungen. Gemeinsam wird nach Nahrung gepickt, zwischendurch gibt einer der Vögel das „Signal“ zur Gefiederpflege, indem er einfach damit anfängt. Die anderen folgen seinem Beispiel, manchmal putzen an die zwanzig Vögel gleichzeitig ihr Gefieder. Bei so viel Solidarität verwundert es auch nicht, dass die Watvögel untereinander keine territoriale Aggression zeigen.

Sie verbrüdern sich vielmehr gegen gemeinsame Feinde. Und davon gibt es am sommerlichen Strand mehr als genug: Urlauber, Hunde, tobende Kinder. Fühlen sich die Sanderlinge bedroht, steigen sie als Gruppe in die Luft und weichen der Störung gemeinsam aus. Das ist zwar schön anzusehen, weil bei den gemeinsamen Manövern ihre Bauchseiten strahlend weiß aufleuchten; aber jeder Strandbesucher sollte versuchen, die Vögel so wenig wie möglich zu stören.

Foto: Derek Keats (Lizenz: CC BY 2.0)

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