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Naturwelt

Die Fledermäuse der Segeberger Kalkberghöhle: Im Reich der lautlosen Schatten

Die Fledermäuse der Segeberger Kalkberghöhle: Im Reich der lautlosen Schatten

Ein Berg ganz aus Kalk, ein urzeitlicher Käfer und mehrere 10.000 Fledermäuse – Bad Segeberg hat seinen Besuchern einiges zu bieten, auch fernab der Karl-May-Festspiele.

Die Kalkberghöhle und ihre Besonderheiten

Die Kalkberghöhle befindet sich im Bad Segeberger Kalkberg im Osten Schleswig-Holsteins. Der Segeberger Kalkberg ist ein Gipsberg auf Steinsalzstock im ostholsteinischen Hügelland. Die Ursache für die Entstehung des Kalkbergs liegt vor vielen Millionen Jahren, als Schleswig-Holstein von einem salzigen Binnenmeer überflutet war. Nach und nach lagerte sich damals Salz ab und schob durch Salztektonik im Lauf der letzten 10.000 Jahre einen Berg aus dem Erdboden. Noch heute hebt sich der Segeberger Kalkberg jedes Jahr um etwa einen Millimeter an. Die heutige Gipshöhle wurde dann im Laufe der Zeit durch Wasserabtragung geschaffen.

Zufällig wurde die Kalkberghöhle dann 1913 entdeckt und bald darauf für Forschung und Tourismus erschlossen. Der traditionell in Bad Segeberg beheimatete Gipsabbau wurde in den 1930ern komplett eingestellt und der Berg unter Schutz gestellt. Seit 2006 gibt es erweiterte Sicherungsmaßnahmen, um den Berg und die darin lebenden Tiere zu schützen.

Das Innere der Kalkberghöhle fasziniert Besucher noch heute: Das rund 2000 Meter lange Höhlensystem beherbergt ein Wirrwarr aus eng verzweigten Gängen, bizarren Formen und riesigen Hallen. Als besonderes Besucherhighlight gelten die so genannten Kristalldrusen – schmale, dicht mit glitzernden Kristallen besetzte Felsspalten. Darunter findet sich auch der „Segeberger Diamant“, das bläulich schimmernde Mineral Boracit, welches typisch für den Kalkberg ist.

Fledermäuse und Käfer: Die Fauna der Kalkberghöhle

Als die Höhle 1913 entdeckt wurde, glaubten die Entdecker zunächst an Spuk und Gespenster: Zahllose unheimliche Gestalten huschten im fahlen Schein ihrer Lampen an ihnen vorbei. Schnell wurde klar: Die Höhle war von tausenden Fledermäusen bevölkert. Bei zoologischen Forschungen in der Kalkberghöhle wurde bald mehr über die Tiere bekannt, vor allem dank der Arbeit der deutschen Zoologin Erna Mohr von den 1920ern bis in die 1960er. Heute wissen wir, dass circa 800 Fledermäuse die Höhle als Sommerquartier nutzen. Ein Winterquartier ist die Kalkberghöhle sogar für ganze 22.000 Fledermäuse acht verschiedener Arten. Unter anderem leben hier das Große Mausohr, die Bechsteinfledermaus (siehe Bild), Fransenfledermäuse und Bartfledermäuse. Zusätzlich schwärmen Ende August bis zu 1500 Wasserfledermäuse pro Spätsommernacht in die Kalkberghöhle, um sie als Winterquartier auszukundschaften.

Seit 1991 existiert ein Forschungsprojekt zum Schutz der Fledermäuse, gefördert vom Umweltministerium Schleswig-Holstein, der zuständigen NABU-Ortsgruppe, und der Universität Gießen, die hier unter anderem ein Lichtschrankensystem zum Auszählen der Fledermäuse installierte. Heute gibt es an Technik zudem Infrarot-Kameras, Ultraschall-Sensoren und eine eigene Klimastation. Aufgrund ihrer überregionaler Bedeutung als eine der größten bekannten Fledermauswinterquartiere Europas ist die Kalkberghöhle seit 2004 auch EU-Naturschutzgebiet.

Neben den Fledermäusen tummeln sich in und um die Kalkberghöhle noch andere seltene Tierarten. An Seltenheit unübertroffen ist der weltweit einzigartige Segeberger Höhlenkäfer. Der blinde Käfer ist ein Überbleibsel aus der Eiszeit, welcher sich hauptsächlich von Fledermauskadavern und Fledermauskot ernährt. Im Umkreis der Höhle leben außerdem ganze 53 Schneckenarten und eine große Anzahl von heimischen Vögeln, unter anderem Zaunkönig, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Gelbspötter, Haus– und Gartenrotschwanz, Heckenbraunelle, Stieglitz, und seit kurzem wieder der Uhu.

Anfahrt und Ausrüstung

Bad Segeberg hat Besuchern eine Menge zu bieten, auch wenn es die meisten Besucher vermutlich mit den jährlich stattfindenden Karl-May-Festspielen anlockt. Die Kalkberghöhle selbst kann von 1. April bis Ende September geführt besichtigt werden. Die meisten Fledermäuse könnt ihr zu Beginn und Ende dieser Öffnungszeiten sehen, also dann, wenn sich die Tiere in der Winterruhe befinden. Die beste Tageszeit für die Höhlenführung ist der Vormittag. In der Kalkberghöhle wird es selbst im Hochsommer nicht wärmer als 9° Celsius, zieht euch also warm an!

Im Spätsommer gehen Besucher mit den schwärmenden Fledermäusen auch draußen auf Tuchfühlung: „Die Tiere fliegen zwischen uns hindurch. Zum Teil nur wenige Zentimeter von unseren Köpfen entfernt. Man erahnt sie mehr, als dass man sie sieht – lautlose Schatten, flüchtige Existenzen“ schreibt Ralf Stork in seinem Buch Deutschlandsafari über seinen Ausflug nach Bad Segeberg.

Abgesehen von der Höhlenführung durch die Kalkberghöhle könnt ihr Fledermäuse in Bad Segeberg auch mit etwas mehr Sicherheitsabstand erleben. Mit „Noctalis“ findet ihr hier die europaweit einzige Erlebnisausstellung zum Thema Fledermäuse. Hier lernt ihr nicht nur mehr über Fledermäuse, sondern erfahrt aus erster Hand, wie es wäre, eine Fledermaus zu sein. Zur Erfahrung gehören Dunklhaut, Baumhöhlen, Dachböden und natürlich auch die Tiere selbst – im obersten Stockwerk findet ihr fruchtfressende Fledermäuse aus Südamerika.

>> Mehr Informationen über die Erlebnisausstellung Noctalis findet ihrer Website https://www.noctalis.de/.

>> Die deutsche Hauptveranstaltung der Europäischen Fledermausnacht findet traditionell in Bad Segeberg statt. Seid dabei, das nächste Mal vom 29. bis 30. August 2015!

>> Ihr wollt Fledermäuse ohne Reise nach Schleswig-Holstein anlocken? Der NABU gibt Tipps für einen fledermausfreundlichen Garten.

Foto: Gilles San Martin (Lizenz: CC BY-SA 2.0) / flickr.com

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