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Allgemein Naturwelt

Artensterben in Europa – Ursachen, Prognosen, Abhilfen

Artensterben in Europa – Ursachen, Prognosen, Abhilfen

Fünf Mal schon in der Erdgeschichte ist die Artenvielfalt rapide zurückgegangen. Erschreckenderweise scheinen wir heute dem Sechsten Massensterben beizuwohnen. Nur, dass es diesmal durch den Menschen verursacht wird.

Ursachen für das Artensterben

Wenn es um die Anzahl der Arten der Erde geht, herrscht wenig Einigkeit unter Forschern. 3,6 Millionen Arten sind relativ sicher erfasst, aber was die Gesamtzahl der (teils noch nicht entdeckten) Arten angeht, reichen die Schätzungen von 9 Millionen bis zu 100 Millionen Arten von Organismen. Davon sind laut IUCN derzeit mindestens 12% der bekannten Arten vom Aussterben bedroht. Doch noch nicht einmal diese Zahl muss stimmen: Vielfach werden seltene Arten auch erst kurz vor ihrem Aussterben entdeckt. Meerestiere etwa sind derzeit sehr unzureichend erfasst und doch sind es gerade diese, die vom Aussterben bedroht sind. Gründe sind etwa die Erwärmung der Ozeane und ihre Anreicherung mit Giftstoffen und Düngemitteln. Eine weitere bedeutende Ursache für das Artensteben im Meer ist die Überfischung. Und natürlich spielt in den Meeren wie an anderen Lebensräumen auch die Zerstörung von Lebensräumen eine große Rolle. An Land ist diese häufig auf eine ausgeweitete Landwirtschaft zurückzuführen. Wie in den letzten Jahren breit diskutiert, spielt auch der Klimawandel beim aktuellen Artensterben eine Rolle. Wie groß diese Rolle ist, darüber besteht unter Wissenschaftlern keine wirkliche Einigkeit. Ebenfalls in Zusammenhang mit dem Artensterben steht der Einfluss invasiver Spezies. Dabei handelt es sich im Arten wie den Halsbandsittich und die Tigermücke, welche mit Absicht oder aus Versehen von den Menschen in fremde Gebiete verschleppt werden.

Alle der genannten Faktoren für das Artensterben lassen sich auf den Menschen zurückführen. Insofern weicht das aktuelle, Sechste Massensterben der Erdgeschichte von den fünf anderen Katastrophen ab, welche allesamt von externen Faktoren hervorgerufen wurde. Stimmt die Einschätzung, dann fällt das vom Menschen verursachte Artensterben in dieselbe Kategorie wie das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren.

Prognose: Europa in der Zukunft

Derzeit sind etwa 700 europäische Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Bekannte Beispiele sind der Iberische Luchs und das Auerhuhn. Auch der Bestand an Feldhasen ist seit den 60er Jahren stark rückläufig. Dazu kommen unzählige Amphibien – die Klasse, die vom Massensterben ohnehin besonders stark betroffen ist. Vorhersagen über die Zukunft anzustellen ist schwer. Nicht nur deswegen, weil noch lange nicht alle Arten der Erde überhaupt erfasst sind, sondern auch, weil die Bestandsentwicklung einzelner Arten so schwer vorherzusagen ist. Während sich die Bestände mancher Arten bei den ersten Maßnahmen zum Artenschutz erholen, ist bei anderen der Genpool so dezimiert, dass sie ohne Zuchtprogramm nicht überleben können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Effekte von Umweltzerstörung und ähnlichem oft erst Jahrzehnte später zum Tragen kommen. Eine Auswertung der Bestandsentwicklung vieler Arten im 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass Lebensraumwandel und Umweltverschmutzung sich auf Tiere und Pflanzen erst zeitverzögert auswirken. Daher wird die Zahl der aktuell gefährdeten Organismen vermutlich stark unterschätzt.

Was könnten die langfristigen Auswirkungen eines solchen Massensterbens sein? Eine verbreitete Befürchtung ist es, ganze Ökosysteme könnten durch das Aussterben einzelner Arten zusammenbrechen. Dabei geht man von einem Domino-Effekt aus, der aus dem Verschwinden einzelner Organismen Effekte für deren gesamte Umwelt ableitet. Ein bekanntes Beispiel ist das Bienensterben in Europa und dessen Auswirkung auf die Bestäubung von Pflanzen. Prognosen zufolge könnten die Folgen des Artensterbens sogar noch perfider sein. Eine Studie im Magazin Nature etwa sagt voraus, dass gerade Infektionsträger vom Artensterben profitieren und dass so auch die menschliche Gesundheit gefährdet ist. Tiere und Pflanzen, die Infektionen abfangen, sterben am ehesten aus, prophezeit die Studie.

Auswege aus der Katastrophe

Der Kampf gegen das Artensterben hat zwei Ebenen: Umdenken und Handeln. Umdenken müssen wir etwa bei der Auswahl der Tiere für den Artenschutz. Schützenswert sind alle Arten und nicht nur die, die wir Menschen süß oder sympathisch finden. Denn leider ist das Aussterben der großen, haarigen Tiere, die uns am ähnlichsten sind, am ehesten öffentlichkeitswirksam. Kaltblütige Amphibien und Fische können keinem das Herz erwärmen. Für ein funktionierendes Ökosystem hingegen spielt es keine Rolle, wie niedlich seine Bestandteile sind.

Umdenken und Handeln sollten Teil der zukünftigen Rolle von Zoos sein. Auch heute schon sind Zoos in Europa über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) vernetzt. Darin versucht man etwa die Inzuchtgefahr zu vermeiden, die in freier Wildbahn so nicht auftreten würde. Solche Zuchtprogramme sind deswegen besonders relevant, weil schon heute einige Arten nur noch in Zoos überleben. Einige argumentieren, dass Artenschutz in Zukunft sogar zur Hauptaufgabe von Zoos werden sollte – auch wenn das hieße, Publikumslieblinge zugunsten von bedrohten Arten auszutauschen.

Bestes Beispiel für den Erfolg von Zuchtprogrammen ist das Wisent: Obwohl es in den 1920ern Jahren akut vom Aussterben bedroht war, konnte es durch ein Zuchtprogramm des Białowieża-Nationalparks in Polen gerettet werden. Alle heutigen Wisente stammen von nur 12 Tieren aus dem Zuchtprogramm ab. Die Forscher in dem Programm sorgten durch ausgewählte Paarungen dafür, dass der Genpool der Wisente nicht zu stark beschränkt wurde. Bisher scheint die neue Zuchtlinie überlebensfähig. In Nordrhein-Westfalen wurden nun schon wieder Wisente ausgewildert. Die Rückkehr des Wisents und anderer großer Säuger wie Wolf und Braunbär nach Europa zeigt, dass gezielte Schutzprogramme zusammen mit dem Schutz des Lebensraums relativ schnell Erfolge erzielen können. Besonders die Einschränkung der landschaftlichen Nutzung von Flächen ist dafür wichtig. Doch es wird großer Anstrengungen bedürfen, wenn nicht Tausende weiterer Arten so enden sollen wie Dodo, Riesenalk und Elfenbeinspecht.

Foto: © Rainer Sturm / pixelio.de

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